Jüdisches Fürstenwalde (Einfache Sprache)

Geschichte der Juden in Fürstenwalde

Die ersten Urkunden, in denen jüdische Menschen östlich der Elbe erwähnt werden, sind aus dem 13. Jahrhundert im späten Mittelalter.

Vielleicht sind sie schon 1096 aus dem Rheinland hierher geflüchtet. Damals war dort der Erste Kreuzzug mit religiösen Verfolgungen. Im Jahr 1379 wurde in Fürstenwalde erstmals ein Jude in einer Urkunde erwähnt. Er hieß David und wurde zum Tode verurteilt. Er wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Jüdinnen und Juden hatten es in den märkischen Städten immer schwer. Es gab Gesetze und sogenannte „Judenordnungen“ gegen sie. Die christliche Mehrheit lehnte sie oft ab und sie erlebten Verfolgung und Gewalt.

1571 wurden alle jüdischen Menschen aus der Mark Brandenburg vertrieben.
Erst hundert Jahre später durften wieder Jüdinnen und Juden dort wohnen. Sie bekamen hierfür Schutzbriefe.

Nach Fürstenwalde kamen Jüdinnen und Juden erst gegen 1750 zurück. Der Stadtrat stellte vier jüdische Familien unter Schutz. Man hoffte, dass das gut für die Wirtschaft ist.

Aus dem Jahr 1746 stammt der älteste Grabstein vom alten Jüdischen Friedhof. Dieser Friedhof war am „Neuen Tor“ außerhalb der Stadtmauer. Den neuen Friedhof in der Frankfurter Straße (Ecke Grünstraße) gab es es seit 1829. Er wurde im November 1938 zerstört.

Jüdischer Friedhof in Fürstenwalde/Spree
Auf dem Jüdischen Friedhof in Fürstenwalde. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde der Friedhof und die Trauerhalle zerstört. Die wenigen nicht zerstörten Grabsteine (hebräisch: Mazewot) wurden später beim Aufräumen verschoben. Der Ort ist seit 1988 eine Gedenkstätte.

Jüdische Gemeinde in Fürstenwalde

Kurz nach 1800 wohnten etwa 50 Jüdinnen und Juden in der Stadt.

Sie gehörten damals zur Jüdischen Gemeinde in Frankfurt (Oder). Eine eigene Gemeinde hatten sie seit 1879. Da lebten in Fürstenwalde etwa 100 jüdische Menschen.

Der Mittelpunkt vom religiösen Leben war die Synagoge (Jüdisches Gotteshaus). Die Synagoge in der Frankfurter Straße war vorher ein Wohnhaus. Der Kaufmann Julius Meseritzer hatte es 1870 umbauen lassen. Die Gemeinde konnte sich einen Vorbeter und einen Schächter (Metzger) leisten, aber keinen Rabbiner.

Seit 1873 gab es eine Ausbildungsstätte für gehörlose jüdische Kinder.

Sie hieß „Israelitische Taubstummenanstalt“ (ITA) und wurde vom jüdischen Pädagogen Markus Reich und seiner Frau Emma gegründet. Sie stand in der Neuendorfer Straße 5 in Fürstenwalde.

Das war die erste Taubstummen-Schule im Deutschen Reich. Eine Schulpflicht für taubstumme und blinde Kinder kam erst 1911. Die Arbeit der ITA wurde von einem Verein unterstützt.

Durch die ITA konnten gehörlose Kinder eine Schule besuchen und eine Berufsausbildung machen. Die Nachfrage war so hoch, dass die ITA schon 1888 in ein größeres Gebäude umziehen musste. Sie kam nach Berlin-Weißensee.

Um 1900 lebten in Fürstenwalde ca. 150 jüdische Menschen.

Sie arbeiteten als Arzt oder Zahnärztin, Fotograf oder Anwältin. Viele hatten Geschäfte oder Kaufhäuser. Hermann Casper war der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde und saß im Stadtrat.

Auf dem Marktplatz konnte man in den Kaufhäusern jüdischer Familien einkaufen. Zum Beispiel bei den Familien Marcuse, Fürst, Brandt, Gottfeld und Flatauer. Das Kaufhaus Flatauer war das größte in Fürstenwalde und hatte den ersten Fahrstuhl in der Stadt.

In den Einkaufsstraßen gab es 32 weitere jüdische Geschäfte. Die am Spreeufer liegende Maschinenfabrik und Eisengießerei „Henry Hall“ gehörte der jüdischen Familie Behrendt.

Wahrscheinlich arbeiteten jüdische Menschen in den „Gebrüder Pintsch Werken“.

Der Chemiker und Erfinder Dr. Hans Klopstock arbeitete in der „Deutsche Kabelwerke AG“. Die Fabrik stand in Ketschendorf (heute Fürstenwalde Süd). Gegründet wurde sie von der jüdischen Unternehmerfamilie Hirschmann aus Berlin.

Die jüdische Gemeinde vergrößerte 1928 den Friedhof. Öffentlich weihte sie die Trauerhalle ein. Möglicherweise gab es eine Mikwa (Ritualbad) in der Frankfurter Straße.

Zur Fürstenwalder Synagoge gehörten außer der städtischen Gemeinde weitere acht Gemeinden aus Alt-Madlitz, Beeskow, Berkenbrück, Briesen, Demnitz, Hangelsberg, Neuendorf und Bad Saarow.

In Neuendorf im Sande gab es seit 1932 ein landwirtschaftliches und handwerkliches Ausbildungslager. Da konnten sich junge Jüdinnen und Juden auf das Auswandern vorbereiten. Viele gingen nach Palästina. Andere gingen in die USA, nach Argentinien oder nach Neuseeland. In diesem Hachschara-Lager lebten bis 1941 etwa 200 junge Menschen. „Hachschara“ ist hebräisch und heißt „Vorbereitung“. Hebräisch wird in Israel gesprochen.

Kaufhaus Flatauer in Fürstenwalde/Spree
Großes Kaufhaus im Zentrum von Fürstenwalde. Eröffnet vom jüdischen Kaufmann Otto Flatauer im Jahr 1913. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das gesamte Stadtzentrum zerstört und verbrannt. Heute steht an der Stelle vom Kaufhaus Flatauer das Amtsgericht.

Hass und Vernichtung

Die Nazis kamen 1933 an die Macht. Für die Jüdinnen und Juden begann ein Albtraum.
Viele Familien verließen die Stadt. Während der Pogrome, um den 9. November 1938, zerschlugen und plünderten die Nazis die jüdischen Geschäfte. Sie zündeten die Synagoge an und zerstörten den Friedhof mit der Trauerhalle.

Viele männliche Juden wurden verhaftet. Die National-Sozialisten nannten es „Schutzhaft“. Die meisten kamen in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Bei Kriegsbeginn im September 1939 wohnten nur noch 26 Jüdinnen und Juden in Fürstenwalde. Die letzten Juden der Stadt wurden 1941 ermordet. Überleben konnten nur einige wenige, weil sie sich versteckten.

Das Landwerk Neuendorf im Sande wurde 1941 zum Zwangsarbeitslager. Hier waren Jugendliche aus anderen deutschen Hachschara-Lagern gefangen. Die bekanntesten Zwangsarbeiter waren die Musikerin Esther Bejarano und der Quizmaster Hans Rosenthal.

Bis 1943 wurden alle Gefangenen von Neuendorf im Sande in das KZ Auschwitz-Birkenau gebracht und ermordet.

Nach 1945 gibt es keine jüdische Gemeinde mehr in Fürstenwalde. Um das Landgut in Neuendorf im Sande kümmert sich heute der Verein ZuSaNe – Zusammen in Neuendorf e.V. Der Verein pflegt das Landgut als Gedenkstätte. Die Geschichte des Landgutes soll nicht vergessen werden.

Ansprache eines NSDAP-Mitgliedes in Fürstenwalde/Spree
Veranstaltung zur Eröffnung des Neuen Rathauses in Fürstenwalde im Jahr 1937. Im Vordergrund steht auf dem Podest Paul Gottsleben. Er war Bürgermeister von 1934 bis 1945 und Mitglied der NSDAP. Rechts im Hintergrund steht das Geschäft der jüdischen Familie Heilbut.