Verfolgungsgründe (Einfache Sprache)

Warum Menschen verfolgt wurden

Verfolgungsgrund: National-sozialistische Rassen-Ideologie

1933 kamen die National-Sozialisten in Deutschland an die Macht. Sie teilten Menschen in „Rassen“ ein. Sich selbst sahen die Nazis als „arische Herrenrasse“. Sie sagten, andere „Rassen“ hätten schlechte Eigenschaften, die schon in ihren Genen stecken.

Vor allem Juden galten als „feindliche Rasse“. Ob jemand sich zur jüdischen Religionsgemeinschaft bekannte oder nicht, war egal. Nur die familiäre Herkunft zählte. So galten auch Juden, die als Christen lebten, weiterhin als Juden und als Feinde.

Unter der Nazi-Herrschaft wurde das Leben für Jüdinnen und Juden wurde immer schlimmer.
Sie verloren immer mehr Rechte und Freiheiten. Die sogenannten „Judengesetze” verboten viele Berufe und Ehen.
Jüdinnen und Juden durften keine Wohnung mehr mieten.
Den früheren Nachbarn, Kunden oder Patienten wurde immer wieder gesagt, nicht in jüdischen Geschäften einzukaufen oder zu jüdischen Ärzten und Anwälten zu gehen.

Die Nazis verbreiteten Karikaturen, Filme, Lieder und beleidigende Zeitungsberichte über Jüdinnen und Juden. Sie sorgten dafür, dass die Bevölkerung an die Rassen-Lehre glaubte. Viele Menschen hassten deshalb Jüdinnen und Juden als „feindliche Rasse“.

Die Nazis hatten den Plan, alle diese Menschen endgültig „zu vernichten“. Das heißt, sie wollten sie alle töten. Das taten sie mit sorgfältiger Planung: mit Verhaftungen, Transporten in Arbeits-Lager und Konzentrations-Lager. Vielen sagen dazu „KZ“, das ist das kurze Wort für Konzentrations-Lager. Am Ende wurden in den KZs mehrere Millionen Menschen gequält und ermordet.

Nur Juden, die mit Christinnen oder Christen verheiratet waren, wurden nicht ermordet. Durch ihre Ehepartner waren sie besser geschützt. Trotzdem wurden auch sie verfolgt. Manche Berufe waren auch ihnen verboten. Und auch sie wurden durch Gesetze ungerecht behandelt und gedemütigt.

Ein schlimmer Höhepunkt waren die Tage vor, am und nach der Reichspogrom-Nacht am 9. November 1938. In diesen Tagen wurden überall Synagogen angezündet. Viele Wohnungen und Geschäfte jüdischer Menschen wurden zerstört. Juden wurden in KZs verschleppt und ermordet.

So ging es auch den Juden in Fürstenwalde. Manche flohen nach 1933 aus Deutschland. Nur wenige schafften es, ihre Sachen rechtzeitig zu verkaufen. Vielen wurde alles weggenommen.

Die Menschen flohen in andere europäische Länder, die man damals noch für sicher hielt. Andere nach Neuseeland, Australien, die USA und Brasilien. Manche gingen auch nach Shanghai. Das war der einzige Ort, für den man keine Einreiseerlaubnis brauchte.

Wer in Deutschland blieb, durfte nach 1938 nicht mehr in seinem Beruf arbeiten und konnte so kein Geld verdienen. Noch im selben Jahr mussten Jüdinnen und Juden aus ihren eigenen Häusern ausziehen. Sie kamen in sogenannte „Judenhäuser“ – heute sagen wir dazu „Ghettohäuser“. Das waren Häuser, die jüdischen Menschen gehört haben. Die Nazis sagten, dass in diesen Häusern nur Juden wohnen durften.

So sollte erreicht werden, dass alle Jüdinnen und Juden eng beieinander wohnten. Man wusste, wo sie waren. Und sie waren von den anderen Menschen getrennt. Seit 1942 musste an den Gebäuden ein gelber „Judenstern“ sichtbar sein.

In Fürstenwalde kennen wir bisher zwei „Ghettohäuser“:

  • Das Haus der Familie Groß in der Frankfurter Straße 18.
  • Das Haus der Familie Kiwi in der Wriezenerstraße 12.

Im Oktober 1941 begannen die Nazis, Jüdinnen und Juden „nach Osten“ in Konzentrations-Lager zu transportieren. Die drohende Gefahr trieb in dieser Zeit viele Menschen in den Selbstmord. Bei der „Wannsee-Konferenz“ am 20. Januar 1942 in Berlin planten die Nazis die Ermordung von über 6 Millionen jüdischer Menschen. Dieses Verbrechen an den Juden – der Holocaust – fand in ganz Europa statt.

Aufnahme der zerstörten Synagoge in Fürstenwalde/Spree vom 10. November 1939
Novemberpogrome 1938 in Fürstenwalde: Jüdische Geschäfte wurden geplündert, der Friedhof zerstört und die Synagoge angezündet. Das private Foto aus dem Haus gegenüber zeigt das ausgebrannte Gebäude.

Verfolgungsgrund: Widerstand gegen die Nazis

Die Nazis kamen 1933 an die Macht. Seitdem versuchten sie jeden auszuschalten, der anderer Meinung war: Kritiker, andere Parteien, Andersdenkende.
Die Nazis versuchten, politische Gegner mit Zeitungsartikeln und Plakaten zu schwächen, aber auch durch Massen-Verhaftungen.
Politische Gegner wurden unterdrückt, verfolgt, verhaftet und ermordet. Das traf vor allem Mitglieder der Sozialistischen Partei (SPD) und der Kommunistischen Partei (KPD).
In Fürstenwalde waren das zum Beispiel der Sozialdemokrat Albert Genz und der Kommunist Richard Soland. An beide erinnern Stolpersteine.

Der sozialdemokratische Widerstand wurde hart getroffen, als am 2. Mai 1933 die Freien Gewerkschaften aufgelöst wurden. Die Leitung wurde verhaftet. Danach gab es nur noch eine einzige, zentrale Gewerkschaft – die national-sozialistische „Deutsche Arbeitsfront“. Am 22. Juni 1933 wurde dann die SPD verboten. Damit endete die Demokratie in Deutschland.

Menschen verschiedener Herkunft und politischer Ansichten leisteten Widerstand. Manche dieser Helden des Alltags halfen Verfolgten, sich zu verstecken. Andere waren direkter: Der Fürstenwalder Richard Weißensteiner und seine Frau Hanni waren Mitglied der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ Beide nahmen an Aktionen gegen die Nazis teil und äußerten Kritik am Regime. All diese Menschen riskierten ihr Leben.

Entlassung
Der Entlassungsbrief vom 29. April 1933 an Max Siedow. Weil er ein Mitglied der verbotenen SPD war, wurde er aus seiner Arbeitsstelle im Rathaus von Fürstenwalde entlassen.

Verfolgungsgrund: Behinderungen und psychischen Krankheiten

Die nationalsozialistische Ideologie teilte Menschen in Gruppen ein.
Kranke und Menschen mit Behinderungen galten als „weniger wert“. Laut den Nazis verdienten sie es nicht zu leben. Das deutsche Volk sollte nicht nur „rassisch rein“ sein, sondern auch frei von Erbkrankheiten.

Kurz nach der Machtübernahme 1933 kam das Gesetz zur „Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Das heißt, die Zwangs-Sterilisation von Menschen mit Erbkrankheiten wurde erlaubt. Danach folgten Morde an Säuglingen, Kindern und Erwachsenen. Diese wurden beschönigend Euthanasie genannt – griechisch für „der schöne Tod“.

In den Kriegsjahren 1940 und 1941 organisierten die Nazis eine zentrale Tötungsaktion und ermordeten psychisch kranke und behinderte Menschen. Nach dem Krieg nannte man diese Morde „Aktion T4“. Das war die Adresse der Bürozentrale in der Tiergartenstraße 4 (Berlin-Mitte). Von dort aus leiteten die Nazis sechs Tötungsanstalten mit dem Ziel der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“.

Am 24. August 1941 endete die Aktion offiziell, die Morde gingen weiter. Mitarbeiter der Justiz, der Polizei, der Verwaltung sowie Pfleger und Ärzte töteten insgesamt 200.000 Menschen.

Die Tötungsanstalten waren in Gomadingen (Schloss Grafeneck, Baden-Württemberg), Brandenburg an der Havel (Altes Zuchthaus, Brandenburg), Alkoven (Schloss Hartheim, Oberösterreich), Pirna-Sonnenstein (Sachsen), Bernburg an der Saale (Sachsen-Anhalt) und Hadamar bei Limburg (Hessen).

Viele Pflege- und Heil-Anstalten waren sogenannte „Zwischen-Anstalten“. Das heißt, die Menschen waren dort nur für kurze Zeit. Damit sollte der Weg der Opfer zu den Tötungs-Anstalten verschleiert werden. Zu diesem System der Zwischen-Anstalten gehörten vermutlich auch die Samariter-Anstalten in Ketschendorf, dem heutigen Fürstenwalde-Süd.

Haus Bethanien der Samariteranstalten in Fürstenwalde/Spree
Haus Bethanien der Samariter-Anstalten in Ketschendorf (heute Fürstenwalde-Süd) um 1900.